Überblick über die Verhandlungen von 1996 bis April 2003 back

Ich referierte am 2. April 2003 im Plenum des Nationalrates im Rahmen der Enquete - Kommission "Grundlagen eines modernen österreichischen Bundestierschutzgesetzes":

INHALT

Der Beginn einer Trendwende in der österreichischen Tierschutzdiskussion stellt für viele wohl 1996, das Jahr des Tierschutzvolksbegehrens dar.

Ich möchte nun versuchen als Tierarzt Befund zu erheben über den heutigen Patienten "Tierschutzrecht in Österreich". Nur so wird es allen hier anwesenden möglich sein mit mir zu einer fundierten Diagnose zu kommen.

Das Jahr 1996 war auch der Beginn meiner Expertentätigkeit hier im Parlament, und so konnte ich von Anfang an, quasi hautnah, die Entwicklung eines leider bis heute noch immer nicht beschlossenen Bundestierschutzgesetzes miterleben. Ich konnte mein Wissen als Fachtierarzt für Tierhaltung und Tierschutz mit eigener Ordination, aber auch meine Erfahrung als Amtstierarzt, der lange Jahre quasi an der Front im direkten Vollzug des Tierschutzgesetzes tätig war, einbringen.

An dieser Stelle möchte ich auch die Gelegenheit ergreifen, um mich bei allen Experten der anderen Fraktionen für die Zusammenarbeit zu bedanken.

Die Befunderhebung des Tierschutzrechtes hat sich auf mehrere Ebenen zu erstrecken:

Bevor ich aber ins Detail gehe, möchte ich festhalten, dass der Wertewandel und die zeitweise recht heftig geführte politische Diskussion punktuell durchaus zu einer qualitativen Verbesserung der österreichischen Rechtsnormen im Tierschutz geführt hat - leider aber auch zu einer quantitativen. Eine echte Vereinheitlichung dieser Rechtsmaterie ist aber bis heute in Österreich, wie wir alle wissen, noch nicht gelungen.

Gleiches gilt für das Jagdrecht und die Fischerei.

Demgegenüber steht eine Bundesregelung beispielsweise der Schweiz aus dem Jahre 1981 und Deutschland aus dem Jahre 1972.

I. DIE EU:

Seit langem sind diverse Richtlinien zum Schutz von Tieren Bestandteil der Europäischen Rechtsnorm, die verpflichtend in einzelstaatliches Recht umzusetzen sind.

Es ist aber bemerkenswert zu erkennen, dass die EU im Protokoll Nr 33 zum Tierschutz im Amsterdamer Vertrag, alle Mitgliedsstaaten aufgefordert hat, bei Festlegung und Durchführung der Politik der Gemeinschaft den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung zu tragen.

Nun, da die EU eindeutig eine politische Willenskundgebung abgegeben hat, wenn auch derzeit nicht im Primärrecht, stellt sich jetzt die Frage nach einem Befund der österreichischen Tierschutzgesetzgebung in der Umsetzung von EU Recht in nationales Recht.

Bleiben wir beim Protokoll Nr. 33. Es bedarf zwar keiner direkten Umsetzung, trotzdem hat man im Land Salzburg eine auf breiter Basis akkordierte Änderung der Landesverfassung aus diesem Titel beschlossen.

Im Zusammenhang mit der Befunderhebung, dürfen wir ein wichtiges Korrektiv für die realistische Einschätzung nicht unerwähnt lassen.

Seit 1998 gab es 13 Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich. Wegen Nichtumsetzung von EU Richtlinien muss für die Säumigkeit mancher Bundesländer die Republik Österreich gerade stehen.

Dabei ich möchte die Antwort des Herrn Bundeskanzlers zu einer schriftlichen parlamentarischen Anfrage der Grünen zur Umsetzung der Legehennen-Richtlinie in Österreich von heuer zitieren.

"Die Länder wurden sowohl bereits im Zuge des allgemeinen Monitorings des Bundeskanzleramtes im Hinblick auf die Umsetzung von Richtlinien, als auch im Zuge des gegenständlichen Vertragsverletzungsverfahrens wiederholt auf die Problematik der Nichtumsetzung hingewiesen."

Des weiteren muss bei der Untersuchung des Patienten Tierschutzrecht festgestellt werden, dass bei einem Kontrollbesuch in Österreich im Jahre 2000 die EU Kontrollorgane feststellten, dass die Art 15a B-VG Vereinbarung zum Schutz der landwirtschaftlichen Nutztiere in einigen Punkten nicht den Gemeinschaftsvorschriften entspricht.

In der Rechtfertigung Österreichs darauf ist zu lesen, dass diese Vereinbarung nicht dem Gemeinschaftsrecht entsprechen muss.

Es ist also nachgewiesen, dass es bei der Umsetzung von EU Richtlinien in Österreich eindeutig Defizite gibt.

II. Die Tierschutzgesetzgebung der Bundesländer:

In Summe - Bund und Länder zusammen - halten wir heute bei 21 Gesetzen und 51 Verordnungen die in Österreich die Tierschutzmaterie regeln. Nachzulesen ist dies in der Losen Blattsammlung "Kallab-Kallab-Noll: Tierschutzrecht"

Getragen von der Vorstellung einer Vereinheitlichung der Tierschutzbestimmungen in Ö haben die 9 Bundesländer zwei Art. 15a B-VG Vereinbarungen geschlossen, die aber jederzeit von diesen selbst wieder gekündigt werden können, keine Strafbestimmungen enthalten und in einer Mitteilung von Österreich an die Europäische Kommission auch nicht den EU Richtlinien entsprechen müssen.

Die Tauglichkeit dieser Art. 15a B-VG Vereinbarungen war von Anfang an politisch wie auch fachlich heftig umstritten.

Daher wurde bereits 1998 der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes gebeten zu der Frage Stellung zu nehmen, in wie weit Art. 15a B-VG Vereinbarungen dem Tierschutzvolksbegehren entgegenkommen.

In seiner Antwort ist zu lesen:

Im Volksbegehren wird die Verankerung des Tier- und Umweltschutzes als Rechtsgüter im Verfassungsrang verlangt.

Eine Art. 15a B-VG Vereinbarung kann die Forderung des Volksbegehrens nicht erfüllen, zumal durch diese Vereinbarung die österreichische Verfassung nicht geändert wird. Im Teil II ist zu lesen, dass es damals doch erhebliche inhaltliche Unterschiede in der Tierschutz - Landesgesetzgebung gab.

So finden wir zB für das meistgehaltene Haustier in Österreich - die Katze - das erste Mal im neuen Tiroler Tierschutzrecht wenige, aber immerhin Bestimmungen. Die Verwaltungsstrafen für Tierschutzvergehen sind länderweise unterschiedlich hoch, etc.

Quasi als Zwischenstand eine erste Teil - Diagnose:

Die beiden Art. 15 a B-VG Vereinbarungen sind zwar der Verfassung nach durchaus taugliche Mittel um eine Vereinheitlichung einer bestimmten Rechtsmaterie zu erreichen. In der Praxis der Tierschutzgesetzgebung aber hat sich herausgestellt, dass dies nicht funktioniert und die Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens damit nicht umsetzen werden können.

III. Nun zur Untersuchung der Ebene Bund:

Hier wird es für die österreichischen Staatsbürger, aber auch für die Tiere nicht einfacher:

In Sachen Tierschutz gibt es in Bundeskompetenz Regelungen zum Thema Tiertransport, Tierversuch und gewerbliche Tierhaltung. Auch im ABGB und im STGB finden sich tierrelevante Normen.

In einem Antrag aus dem Jahre 2000 erachten auch die FPÖ und die ÖVP die Schutzfunktion des Strafrechts für Tiere als derzeit nicht ausreichend, da viele Taten nicht oder nicht ausreichend strafrechtlich verfolgt werden.

In ihrer Begründung ist aber auch zu lesen, dass 70% derartiger Strafverfahren mit Freispruch enden.

Im neuen Absatz 3 des novellierten § 222 STGB ist auch der zu bestrafen, der mutwillig ein Wirbeltier tötet.

Dieser Straftatbestand ist aber auch in manchen Landestierschutzgesetzen gleichlautend enthalten.

Hat dies der Bundesgesetzgeber so wirklich gewollt?

Es wird somit die praktische Erfahrung erst zeigen, ob und wie sich die unterschiedlichen Strafkompetenzen - nämlich Verwaltung und Gericht - in ihrem gemeinsamen Ziel der Abstellung von Tierquälereien zukünftig näherkommen.

IV. Abschließend der Befundabschnitt der Parlamentarischen Tätigkeit und der Beratungen hier im Hohen Haus

Seit 1996 haben SPÖ und Grüne Anträge auf Verfassungsänderung und solche zu einem Bundestierschutzgesetz bereits zum 3. Mal eingebracht.

Erfreulicherweise gibt es seit heuer auch einen Antrag der ÖVP, allerdings nur auf Verfassungsänderung, ein Bundestierschutzgesetzantrag fehlt bis heute.

V. Diagnose und Therapievorschlag

Diese lauten:

Geographische bzw regionale Unterschiede oder historische Gegebenheiten rechtfertigen keine unterschiedlichen Maßstäbe im Umgang mit Tieren.

Föderalismus ist beim Tierschutz ganz sicher fehl am Platz, kannte und kennt die Evolution doch bis heute keine politischen Grenzen.

Österreich braucht aus meiner 7-jährigen Expertensicht ein modernes Bundestierschutzgesetz, das sich an den derzeit besten landesgesetzlichen Regelungen orientieren muß.

In Wirklichkeit sind alle Arbeiten getan. Es gibt keinen Grund von vorne zu beginnen - lediglich die politische Einigung und die Beschlüsse darüber fehlen noch!

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