Naturschutzbehördliche Bewilligung zum Fang und zur Haltung von Singvögeln - Salzburger Naturschutzgesetz - Brauchtumspflege

NatSchG Slbg 1993 §28 Abs4 litb; NatSchG Slbg 1993 §30 Abs4; VwRallg

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der Salzburger Landesumweltanwaltschaft, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. September 1995, Zl. 13/01-RI-165/21-1995, betreffend die naturschutzbehördliche Bewilligung zum Fang und zur Haltung von Singvögeln (mitbeteiligte Partei: Verein der Vogelfreunde D, vertreten durch den Obmann F in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 30. September 1994 wurde das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um naturschutzrechtliche Bewilligung zum Fang von jährlich je zwei Exemplaren der Vogelarten Zeisig, Stieglitz, Gimpel und Fichtenkreuzschnabel zum Zwecke der Brauchtumspflege in der Zeit von jeweils 15. September bis 30. November abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der Vogelfang sei seit Inkrafttreten des Salzburger Naturschutzgesetzes 1957 grundsätzlich verboten. Im Salzburger Bereich des Salzkammergutes habe daher ein Brauch, Waldvögel zu fangen, nicht ausgeübt werden können, zumal der Behörde Ausnahmebewilligungen nicht vorlägen. Da etwas nicht Brauch sein könne, was seit 1957 verboten sei, könne es sich beim beantragten Vogelfang auch nicht um Brauchtumspflege handeln.

Der gegen diesen Bescheid von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. September 1995 Folge gegeben und der mitbeteiligten Partei die naturschutzbehördliche Bewilligung zum Fang und zur Haltung der Vogelarten Stieglitz, Zeisig, Gimpel und Fichtenkreuzschnabel in den Gemeindegebieten St. und St.G. zum Zwecke der Brauchtumspflege unter Befristung und unter Einhaltung von im einzelnen angeführten Auflagen erteilt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die genannten Vogelarten seien im Land Salzburg nach der Tierarten-Schutzverordnung vollkommen geschützte Tierarten; Fang und Haltung seien daher verboten. Nach den gleichlautenden Bestimmungen des Salzburger Naturschutzgesetzes 1993 und der Tierarten-Schutzverordnung könne die Naturschutzbehörde jedoch u.a. für Zwecke der Brauchtumspflege Ausnahmen von diesen Verboten bewilligen, wobei Sorge zu tragen sei, daß die örtliche Ausrottung bestimmter Tiere verhindert werde. Den gutachtlichen Stellungnahmen des Referates für Salzburger Volkskultur und der mitbeteiligten Partei zufolge handle es sich beim beantragten Vogelfang um eine im Salzkammergut durchgängig ausgeübte Tradition, die mindestens bis ins 16. Jahrhundert zurückreiche. Der Brauch gehe ursprünglich auf eine Instruktion Kaiser Rudolf II. im Jahre 1579 zurück, in welcher der Forstmeister ausdrücklich angewiesen worden sei, das Wild in Bann zu legen, den Vogelfang aber den Einheimischen zu überlassen. Daraus leite sich auch die Bezeichnung "Jagd des kleinen Mannes" ab. Während der Vogelfang somit ursprünglich auch als Nahrungsquelle gedient habe, seien im Laufe der Zeit volksmedizinische Glaubensvorstellungen hinzugekommen, weil manchen Vögeln bestimmte Heilwirkungen zugeschrieben worden seien. Maßgeblich für die Ausübung des Brauchtums in der heutigen Zeit sei die aus einer engen Naturverbundenheit resultierende persönliche Liebe zu den Waldvögeln sowie die Freude an deren Obsorge während des Winters. Aus der Stellungnahme des Referates für Salzburger Volkskultur gehe weiters hervor, daß aufgrund der im Heimatmuseum "Lipphaus" in St. durchgeführten Recherchen, der Besichtigung von Volieren im Oberösterreichischen Teil des Salzkammergutes und aufgrund von Gesprächen mit (näher bezeichneten) Gewährspersonen davon auszugehen sei, daß das Salzburger und der Oberösterreichische Teil des Salzkammergutes im Hinblick auf diesen Brauch als Einheit gesehen werden müßten. Der Brauch habe somit im Salzburger Teil des Salzkammergutes eine ebenso lange Tradition wie im Oberösterreichischen Teil. Auch in den Stellungnahmen der beiden Gemeinden St.G. und St. komme übereinstimmend zum Ausdruck, daß dieses Brauchtum seit Menschengedenken bestehe und auch heute noch ausgeübt werde. Zum Einwand der Beschwerdeführerin, von der ursprünglichen Form und dem Zweck des Vogelfanges sei nichts erhalten geblieben, das heute durchgeführte Ausstellungswesen habe erst in diesem Jahrhundert im Ausseer Raum Verbreitung gefunden und es könne daher der beantragte Vogelfang zu Ausstellungszwecken nicht mit der vor Jahrhunderten ausgeübten Art und Weise des Vogelfanges gleichgesetzt werden, sei zunächst zu bemerken, daß die Beschwerdeführerin damit grundsätzlich vom Bestehen eines Brauchtums des Vogelfanges im Salzkammergut ausgehe. Daß sich die Motivation am Festhalten des Brauchtums im Laufe der Zeit geändert habe bzw. ein neuer Aspekt, nämlich die Ausstellung der gefangenen Vögel dazugekommen sei, ändere jedoch nichts am Faktum des Bestehens des Brauchtums. Die Tatsache, daß an die Stelle des ursprünglichen Brauchtumsgedankens ("Jagd des kleinen Mannes", volksmedizinische Gründe) heute die Naturverbundenheit und Naturliebe der Ausübenden getreten sei, dokumentiere ja gerade, daß es sich nicht um einen "überkommenen" Brauch handle, sondern daß sich die Motivation den heutigen Gegebenheiten angepaßt habe. Es spreche für die Lebendigkeit des Brauchtums, daß sich in einer Zeit der zunehmenden Entfremdung des Menschen von der Natur die Brauchtumsausübenden mit der heimischen Tierwelt und Natur beschäftigten und diese auch anderen Menschen näher brächten. Dazu dienten die einmal jährlich, traditionell auf den "Kathrein-Sonntag" beschränkten Vogelausstellungen. Diese seien sicherlich nicht der Hauptzweck des Vogelfanges, wie auch aus der Stellungnahme des Referates für Salzburger Volkskultur hervorgehe. Sie stellten vielmehr einen kleinen Teilaspekt des Brauchtums dar, zumal die Vögel auch nicht unmittelbar danach freigelassen, sondern den ganzen Winter über unter erheblichem Pflegeaufwand beherbergt würden. Die Ausstellungen erfüllten aber gleichzeitig eine gewisse "Kontrollfunktion", da sich jeder von der artgerechten Haltung der Vögel überzeugen könne. Die mit der Ausstellung verbundene Prämierung - die Preise hätten keinen besonderen materiellen Wert - stellten für den einzelnen Vogelliebhaber vor allem eine ideelle Anerkennung seiner Bemühungen dar und böten gleichzeitig einen Anreiz, den Vögeln die bestmögliche Pflege zukommen zu lassen. Im übrigen könne der Argumentation der Beschwerdeführerin auch dahingehend nicht gefolgt werden, daß das Bestehen eines Brauchtums von den jeweiligen gesetzlichen Gegebenheiten abhänge, wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ein generelles gesetzliches Verbot des Vogelfanges seit 1909 vermeine. Erstens sei diese Behauptung unrichtig, weil § 17 des Landesgesetzes vom 9. Juni 1909 betreffend den Schutz der für die Bodenkultur nützlichen Vögel und anderer gemeinnütziger Tiere, LGBl. Nr. 49/1909, ausdrücklich die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung zum Fang und zur Haltung der in Rede stehenden Vogelarten als Stubenvögel vorsehe, und zweitens sei die Frage, ob ein Brauch bestehe, anhand der tatsächlichen Gegebenheiten, jene ob ein Brauch legal ausgeübt werde, anhand der rechtlichen Gegebenheiten zu beurteilen. Der Gesetzgeber stelle beim Ausnahmetatbestand der Brauchtumspflege zweifellos auf das tatsächliche Bestehen eines Brauches ab, da ja gerade mit der Ausnahmebewilligung die legale Ausübung des Brauches ermöglicht werden solle. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, daß der Vogelfang im Einzelinteresse einiger weniger liege, sei entgegenzuhalten, daß die im Antrag genannten Personen Mitglieder des Vereines der "Vogelfreunde D" seien. Dieser Verein sei mit über 30 anderen Vereinen aus dem gesamten Salzkammergut Mitglied des Salzkammergutverbandes der Vogelfreunde mit Sitz in E. Dieser Dachorganisation gehörten derzeit rund 550 Mitglieder an. Verbandszwecke seien laut § 2 der Satzungen u.a. die Förderung und Erhaltung des bodenständigen Volksbrauchtums und die Förderung des Natur- und Vogelschutzgedankens durch Vorträge und Aussprachen. Durch diese statutenmäßige Verankerung der Brauchtumspflege werde die Lebendigkeit des Brauchtums des Vogelfanges dokumentiert. Durch die vereinsmäßige Organisation des Brauchtums sei auch sichergestellt, daß nicht "jeder ornithologisch Interessierte" wie die Beschwerdeführerin befürchte, den Ausnahmetatbestand der Brauchtumspflege für sich in Anspruch nehmen könne, sondern dies an die Ausübung des Brauchtums im Rahmen eines an diesen Zweck gebundenen behördlich genehmigten Vereines geknüpft sei. Aufgrund der übereinstimmenden Ausführungen des Referates für Salzburger Volkskultur und der gutachtlichen Stellungnahme vom 17. Juni 1994 habe die Behörde daher vom Bestehen und der Ausübung des Brauchtums des Vogelfanges bis zum heutigen Tag im Salzburgischen Teil des Salzkammergutes und speziell in den Gemeindegebieten von St. und St.G. ausgehen können. Wie aus dem naturschutzbehördlichen Amtssachverständigengutachten hervorgehe, seien die beantragten Vogelarten im Bundesland Salzburg relativ häufig vorkommende und weit verbreitete Spezies, die auch nicht auf der roten Liste der in Österreich gefährdeten Brutvogelarten stünden. Der Fang und die auf die Wintermonate beschränkte Haltung von maximal 10 Stück pro Spezies hätten keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Gesamtpopulation bzw. den Erhaltungszustand der jeweiligen Art. Dies werde nach den Ausführungen des naturschutzbehördlichen Amtssachverständigen dadurch gewährleistet, daß als Fanggeräte Netzkloben bzw. für Stieglitze auch Bodennetze verwendet würden. Die besondere Ausgestaltung dieser Fanggeräte biete Gewähr dafür, daß die Vögel unverletzt gefangen würden. Durch die räumliche Verteilung der Fangplätze innerhalb genau abgrenzbarer Fanggebiete werde sichergestellt, daß eine der Population abträgliche Konzentration der Fangtätigkeit nicht stattfinde. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit in verdunkelten Käfigen würden die Vögel den Winter über in Volieren gehalten. Lediglich bei der Mitnahme als Lockvögel bzw. am Tag der Vogelausstellung erfolge die Haltung in Vogelhäuschen. Nach einer einmonatigen Vorbereitungszeit würden die Vögel - mit Ausnahme der Lockvögel - bei geeigneter Witterung im Frühjahr, spätestens Ende April wieder freigelassen. Die Behörde könne daher entsprechend den Ausführungen des naturschutzbehördlichen Amtssachverständigen davon ausgehen, daß die Erteilung der beantragten Bewilligung keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Gesamtpopulation bzw. den Erhaltungszustand der jeweiligen Art hätte. Zusammenfassend sei daher festzustellen, es könne davon ausgegangen werden, daß einerseits der Ausnahmetatbestand der Brauchtumspflege erfüllt sei und andererseits durch den Fang und die zeitlich befristete Haltung der gegenständlichen Vogelarten im beantragten Ausmaß keinerlei örtliche Ausrottung dieser Spezies erfolge. Was die nach § 2 lit. a der Tierarten-Schutzverordnung bei nicht jagdbaren Vögeln untersagte Verwendung von Netzen und Lockvögeln als Fangmethode anlange, so lägen die Voraussetzungen für die Ausnahme von diesem Verbot vor, weil die Verwendung von Netzen und Lockvögeln ein trennbarer Bestandteil des Brauchtums des Vogelfanges im Salzkammergut sei und die Brauchtumspflege als ein öffentliches Interesse im Sinne des § 3 Abs. 2 dieser Verordnung zu werten sei. Der Einwand der Beschwerdeführerin, andere öffentliche Interessen, nämlich jene des Tierschutzes, stünden der Anwendung des Ausnahmetatbestandes entgegen, sei aus näher dargelegten Gründen ebenso unzutreffend wie die Auffassung der Beschwerdeführerin, die beantragte Bewilligung stehe im Widerspruch zur Richtlinie des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie) bzw. zur Berner Konvention.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Freilebende Tiere, die in ihrem Bestand allgemein oder in bestimmten Gebieten gefährdet sind und an deren Erhaltung aus Gründen des Naturschutzes ein öffentliches Interesse besteht, können gemäß § 30 Abs. 1 Salzburger Naturschutzgesetz 1993 durch Verordnung der Landesregierung vollkommen oder teilweise geschützt werden. Der Schutz kann sowohl zeitlich als auch gebietsmäßig beschränkt werden. Jagdbare Tiere und Fische können nicht den Gegenstand einer solchen Verordnung bilden.

Gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. der Anlage I Punkt 8 der Tierarten-Schutzverordnung, LGBl. Nr. 12/1980, i.d.F. LGBl. Nr. 10/1988, werden alle nicht jagdbaren Vogelarten mit Ausnahme des Haussperlings und der Amsel zu vollkommen geschützten Tierarten erklärt.

Gemäß § 30 Abs. 2 Salzburger Naturschutzgesetz 1993 dürfen vollkommen geschützte Tiere weder mutwillig beunruhigt noch verfolgt, gefangen, getötet, in lebendem oder totem Zustand entgeltlich oder unentgeltlich erworben, verwahrt, übertragen, befördert oder feilgeboten werden. Dies gilt auch für alle Entwicklungsformen, Teile, Nester und Brutstätten dieser Tiere.

Ausnahmen von diesen Verboten kann die Naturschutzbehörde gemäß § 30 Abs. 4 leg. cit. für Zwecke der Wissenschaft, des Unterrichts, der Brauchtumspflege, der Heilmittelerzeugung oder zur Hintanhaltung einer Bedrohung anderer Tierarten sowie zur Verhinderung erheblicher wirtschaftlicher Schädigungen bewilligen. Dabei ist Sorge zu tragen, daß die örtliche Ausrottung bestimmter Tiere verhindert wird.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde habe den von der mitbeteiligten Partei beantragten Vogelfang zu Unrecht als zum Brauchtum gehörig qualifiziert; sie sei solcherart zu Unrecht von der Erfüllung der Voraussetzung ausgegangen, die beantragte Bewilligung diene Zwecken der Brauchtumspflege.

Die Beschwerdeführerin ist mit diesem Vorwurf im Recht.

Das Naturschutzgesetz definiert den Begriff "Brauchtumspflege" nicht; dieser ist daher in jener Bedeutung zu verstehen, die ihm nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zukommt.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einem Brauch ein von der Sitte gefordertes, sozial bestimmtes, bei gewissen Anlässen geübtes traditionelles Verhalten verstanden, wobei Brauchtum den (wissenschaftlichen) Sammelbegriff darstellt (vgl. Meyer's Enzyklopädisches Lexikon (1972), Band 4, 643). Brauchtumspflege bedeutet demnach die Bewahrung von bestimmten, nämlich der durch Herkommen festgelegten, gemeinschaftsbezogenen und (zumindest ehemals) sittlich motivierten Verhaltensweisen durch deren (Nach-)Vollziehung.

Daß dieses Verständnis des Begriffes "Brauchtumspflege" dem Naturschutzgesetz zugrundeliegt, findet sich durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. So merkt der Ausschussbericht (Nr. 180 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages, 3. Session der 7. Wahlperiode, zu § 28 Abs. 4 lit. b (neu) Naturschutzgesetz) an, daß als "besonders charakteristische örtliche Brauchtumspflege ... der Brauch der Prangstangen in Muhr und Zederhaus anzusehen" ist. Prangstangen sind mehrere Meter hohe, in bestimmter Art und Weise mit Blumen überaus reich geschmückte Stangen, die - ein Fruchtbarkeits- und Vegetationssymbol - im oberen Lungau und im östlichen Teil des Pongaus seit Einführung der Fronleichnamsfeier in den Fronleichnamsprozessionen mitgetragen werden (vgl. Swoboda, Lebendiges Brauchtum (1970), 88 f). Dieses - nach Auffassung der Gesetzesmaterialien - besonders charakteristische Beispiel der Pflege (örtlichen) Brauchtums weist somit sämtliche der oben dargelegten Merkmale auf.

Demgegenüber mag der nach den Feststellungen der belangten Behörde bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Vogelfang im Salzkammergut auf altem Herkommen beruhen. Das alleine rechtfertigt es allerdings nicht, seine Ausübung als Brauchtumspflege im dargelegten Sinn zu qualifizieren. Diente doch der Vogelfang nach den Feststellungen der belangten Behörde zunächst primär der Nahrungsbeschaffung sowie der Erzielung der manchen Vögeln zugeschriebenen Heilwirkung, wobei diese Zwecke schließlich von der Liebe der Vogelfänger zu den Waldvögeln und ihrer Freude an deren Obsorge während des Winters abgelöst wurden. Es handelt sich somit um ein zwar traditionelles Verhalten, das aber im übrigen (auch intentional) ausschließlich dem persönlichen Interesse der einzelnen Vogelfänger diente und dient.

Die belangte Behörde hat daher, indem sie auf dem Boden der von ihr getroffenen Feststellungen den beantragten Vogelfang als Brauchtumspflege im Sinne des § 30 Abs. 4 Naturschutzgesetz qualifizierte und den entsprechenden Ausnahmetatbestand als erfüllt ansah, die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid solcherart mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war somit - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war mangels deren Erforderlichkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung abzuweisen.

Zusammenfassung:

Das Slbg NatSchG 1993 definiert den Begriff "Brauchtumspflege" nicht; dieser ist daher in jener Bedeutung zu verstehen, die ihm nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird unter einem Brauch ein von der Sitte gefordertes, sozial bestimmtes, bei gewissen Anlässen geübtes traditionelles Verhalten verstanden, wobei Brauchtum den (wissenschaftlichen) Sammelbegriff darstellt (Hinweis Meyer's Enzyklopädisches Lexikon, 1972, Band 4, 643). Brauchtumspflege bedeutet demnach Bewahrung von bestimmten, nämlich der durch Herkommen festgelegten, gemeinschaftsbezogenen und (zumindest ehemals) sittlich motivierten Verhaltensweisen durch deren (Nachvollziehung) Vollziehung (Hinweis AB, Nr 180 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Slbg LT, dritte Session der siebenten Wahlperiode, zu § 28 Abs 4 lit b Slbg NatSchG 1993).

Der Umstand, daß der Vogelfang im Salzkammergut auf einem bis ins sechzehnte Jahrhundert zurückreichenden alten Herkommen beruht, rechtfertigt für sich alleine nicht, seine Ausübung als Brauchtumspflege iSd § 28 Abs 4 lit b Slbg NatSchG 1993 und iSd § 30 Abs 4 Slbg NatSchG 1993 zu qualifizieren. Diente der Vogelfang zunächst primär der Nahrungsbeschaffung und der Erzielung der manchen Vögeln zugeschriebenen Heilwirkung, wurde dieser Zweck schließlich von der Liebe der Vogelfänger zu den Waldvögeln und ihrer Freude an deren Obsorge während des Winters abgelöst. Es handelt sich somit um ein zwar traditionelles Verhalten, das aber im übrigen (auch intentional) ausschließlich dem persönlichen Interesse der einzelnen Vogelfänger diente und dient.

 

 

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