IP/03/1010 Brüssel, den 14. Juli 2003       back

IP/03/1091

Brüssel, den 23. Juli 2003

Stärkung der europäischen Abwehr von Gesundheitsbedrohungen: Kommission schlägt Europäisches Zentrum für Prävention und Bekämpfung von Seuchen vor

Die Europäische Kommission hat heute einen Vorschlag zur Schaffung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Bekämpfung von Seuchen angenommen. Übertragbare Krankheiten können eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit der Bürger darstellen, und sie machen nicht an den Landesgrenzen Halt. Ein in einem Land erfolgter Seuchenausbruch kann sich innerhalb weniger Stunden rund um die Welt ausbreiten. Das Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS) hat uns jüngst die Kehrseite der immer stärkeren Vernetzung zum “globalen Dorf” vor Augen geführt. Bei der Eindämmung eines Seuchenausbruchs ist der Zeitfaktor von wesentlicher Bedeutung. Durch einen Zeitverlust kann ein kleiner Ausbruch zu einer schwerwiegenden Epidemie werden. Aus diesem Grund will die Europäische Kommission die Möglichkeiten zur wirksamen Bekämpfung übertragbarer Krankheiten in Europa substanziell verstärken. Die Struktur des bestehenden EU-Netzes für übertragbare Krankheiten, das die Kommission seit 1991 auf der Basis einer punktuellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten verwaltet, ist einfach nicht effizient genug, um die EU-Bürger ausreichend vor den von Infektionskrankheiten ausgehenden Gesundheitsgefahren zu schützen, zu denen auch die Möglichkeit der vorsätzlichen Freisetzung von Krankheitserregern („Bioterrorismus") zählt. Am 6. Mai dieses Jahres erkannten die Gesundheitsminister die Notwendigkeit an, die Abwehrbereitschaft der EU zur Bewältigung von Seuchenausbrüchen zu stärken. Das neue Zentrum wird zu Synergien zwischen den bestehenden einzelstaatlichen Zentren für die Seuchenbekämpfung führen und diese erheblich verstärken. Auch wird das Zentrum eine bessere Planung ermöglichen. Es wird über einen kleinen Kernbestand an Personal und über ein ausgedehntes Netz von Ansprechpartnern in den Gesundheitseinrichtungen und Forschungsstätten der Mitgliedstaaten verfügen. Durch die Bündelung des Expertenwissens in ganz Europa wird es in der Lage sein, maßgebliche wissenschaftliche Beratung zu schwerwiegenden Gesundheitsbedrohungen zu leisten, Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung zu empfehlen, rasch Interventionsteams zu mobilisieren und damit eine schnelle und wirksame EU-weite Reaktion ermöglichen. Nach Billigung durch das Europäische Parlament und den Rat könnte das Zentrum als unabhängige europäische Einrichtung im Jahr 2005 seine Arbeit aufnehmen.

Der für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige Kommissar David Byrne sagte: "Da übertragbare Krankheiten nicht an den Landesgrenzen Halt machen, dürfen die Maßnahmen zu ihrer Prävention und Bekämpfung dies auch nicht tun.

SARS hat Europa wachgerüttelt und veranlasst, sich besser vorzubereiten und die Zusammenarbeit auf EU-Ebene beträchtlich zu verstärken. In der EU und den Mitgliedstaaten gab es zwar bereits ein System zur Überwachung der Ausbreitung des SARS-Virus, doch kein System für die Beratung geschweige denn die Entscheidungsfindung über EU-weite Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche. In einem Europa, in dem heutzutage Millionen Menschen jeden Tag die Landesgrenzen überqueren, benötigen wir rasche koordinierte Maßnahmen zum Schutz unserer Bürger. Dies wird das Europäische Zentrum für die Prävention und die Bekämpfung von Seuchen möglich machen. Durch die Bündelung des wissenschaftlichen Sachverstands in Europa und die Verstärkung unserer Schnellwarnsysteme wird das Zentrum dazu beitragen, dass die EU und die Mitgliedstaaten schneller und wirksamer auf Seuchenausbrüche reagieren können und besser auf Epidemien und bioterroristische Anschläge vorbereitet sind."

Hauptaufgaben des neuen Zentrums

Das Zentrum wird die epidemiologische Überwachung auf europäischer Ebene weiterentwickeln. Es wird schrittweise die Aufgaben des europäischen Netzes für übertragbare Krankheiten übernehmen. Dabei wird es die Überwachungsmethoden vereinheitlichen sowie die Vergleichbarkeit und Kompatibilität der erhobenen Überwachungsdaten verbessern. Außerdem kann es Netze von Referenzlabors identifizieren und betreuen und die Qualitätssicherungsprogramme der mikrobiologischen Labors verbessern.

Um wirkungsvoll arbeiten zu können, erfordert das Frühwarn- und Reaktionssystem eine 24-stündige Bereitschaft der Seuchenexperten. Die Verantwortung für die Reaktion auf Warnungen verbleibt zwar bei der Kommission und den Mitgliedstaaten, der technische Betrieb des Systems wird jedoch vom Zentrum und seinen Netzen gesteuert. Das Zentrum wird je nach Erfordernis mit den einschlägigen EU-Einrichtungen wie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und der Europäischen Agentur für die Bewertung von Arzneimitteln sowie mit anderen Warnsystemen wie denen der WHO koordiniert zusammenarbeiten.

Entscheidungen, die die öffentliche Gesundheit betreffen, müssen auf unabhängigen wissenschaftlichen Nachweisen hoher Qualität beruhen. Das Zentrum wird zur Gesundheitspolitik beitragen, indem es wissenschaftliche Bewertungen liefert und technische Hilfe leistet, die auf der im Zentrum und den Expertennetzen in den Mitgliedstaaten vorhandenen höchsten Fachkompetenz basiert. Steht hier zu einem bestimmten Thema kein ausreichendes Expertenwissen zur Verfügung, so kann der Direktor des Zentrums in Abstimmung mit dem Beirat des Zentrums unabhängige wissenschaftliche Gremien einsetzen, deren Mitglieder aus anerkannten wissenschaftlichen Behörden und Forschungseinrichtungen stammen.

Es gibt ein breites Spektrum zu behandelnder wissenschaftlicher Fragen im Bereich der Infektionskrankheiten: es reicht von Fragen der klinischen Medizin und der Epidemiologie bis hin zur Standardisierung von Laborverfahren. All diese Fragen von einem einzigen wissenschaftlichen Ausschuss behandeln zu lassen, wäre nicht sinnvoll. Stattdessen wird das Zentrum in verschiedenen Netzen und Gremien je nach den zu behandelnden Fragen wissenschaftliche Experten zusammenbringen.

Das Zentrum könnte den EWR/EFTA-Staaten, Beitrittsländern wie auch den EU-Mitgliedstaaten Unterstützung leisten. Auf Anfrage könnte es ein EU-Team zur Untersuchung eines Ausbruchs einer unbekannten menschlichen Erkrankung innerhalb oder außerhalb Europas entsenden. In Koordination mit der humanitären Hilfe oder der Entwicklungshilfe der EU könnte das Zentrum auch Drittländern technische Hilfe leisten. Es würde diese Tätigkeiten nach Bedarf mit der WHO und anderen internationalen Einrichtungen koordinieren.

Das im Zentrum gebündelte EU-weite Expertenwissen wird die Entwicklung von Bereitschaftsplänen zur Bewältigung von gesundheitlichen Krisensituationen wie einer Influenza-Pandemie oder eines Bioterroranschlags unterstützen.

Objektive, zuverlässige und leicht zugängliche Informationen über Gesundheitsbedrohungen sind sowohl für die breite Öffentlichkeit als auch für die Entscheidungsträger der EU und der Mitgliedstaaten von wesentlicher Bedeutung. Das Zentrum wird beiden Zielgruppen über seine Tätigkeiten und Ergebnisse Bericht erstatten.

Rasche und wirksame Reaktion auf Gesundheitsbedrohungen

Wie der SARS-Ausbruch vor einigen Monaten gezeigt hat, kann es schnell zum Auftreten und zur Ausbreitung neuartiger Krankheiten kommen. SARS ist innerhalb weniger Wochen von Südchina nach Kanada, Europa und in weite Teile Asiens verschleppt worden. Der Schlüssel zur Eindämmung der Ausbrüche von Infektionskrankheiten liegt in der raschen und wirksamen Reaktion. Europas Netz für übertragbare Krankheiten hat sich als sehr wirkungsvoll bei der Überwachung der SARS-Ausbreitung erwiesen, doch weder dieses Netz noch die Kommission waren in der Lage, unverzüglich EU-weite Maßnahmen zur Eindämmung des Virus vorzuschlagen. Angesichts eines ansteckenderen Virus als SARS könnten verzögerte oder uneinheitliche Reaktionen der Mitgliedstaaten die Eindämmung eines Ausbruchs europaweit beeinträchtigen.

Das europaweite im Zentrum zusammengeführte Expertenwissen wird die Entwicklung der Bereitschaftsplanung mit Blick auf gesundheitliche Krisensituationen wie eine Grippe-Epidemie oder einen bioterroristischen Anschlag auf EU-Ebene unterstützen. Wenn eine neuartige Krankheit auftritt, werden das Zentrum und seine Expertennetze in der Lage sein, unverzüglich maßgebliche Beratung auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten zu leisten. Dies wiederum wird eine rasche Entscheidungsfindung erleichtern, falls die EU oder ihre Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Bekämpfung dieser neuen Krankheit treffen müssen.

Eine kleine, aber wirkungsvolle EU-Einrichtung

In den Gesundheitseinrichtungen der Mitgliedstaaten ist bereits eine Fülle an wissenschaftlichem Expertenwissen vorhanden. Zweck des vorgeschlagenen Zentrums ist es, dieses Expertenwissen zu vernetzen und die Koordinierung zwischen den einzelstaatlichen Einrichtungen zu erleichtern. Das Zentrum selbst wird einen relativ kleinen Personalbestand haben. Es wird jedoch auf das Expertenwissen von Hunderten von Wissenschaftlern in ganz Europa zurückgreifen können und dieses bündeln.

Der Kern dieses Netzes ist schon vorhanden. Das europäische Netz für übertragbare Krankheiten verbindet bereits Sachverständige, die spezielle Krankheiten überwachen und besondere Gesundheitsrisiken wie beispielsweise die Antibiotikaresistenz verfolgen (siehe MEMO/03/155). Da das Zentrum den Betrieb dieser Netze übernehmen wird, kann es bereits vorhandenes Expertenwissen und bestehende Arbeitsbeziehungen nutzen. Das Zentrum wird auch die Arbeiten zur Überwachung und Bereitschaftsplanung mit Blick auf mögliche Bioterroranschläge übernehmen, die bisher die Task Force für Gesundheitssicherheit der EU geleistet hat (siehe MEMO/02/122).

Unterstützung einzelstaatlicher Gesundheitseinrichtungen

Das Zentrum wird eine Ressource und Unterstützung für die Arbeit der Gesundheitseinrichtungen und -behörden in den Mitgliedstaaten darstellen. Neben der Vernetzung von Seuchenexperten in ganz Europa wird es auch einen praktischen Rahmen für die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und für die Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Einrichtungen liefern. So nehmen beispielsweise zurzeit oft Experten aus vielen Mitgliedstaaten an WHO-Teams zur Untersuchung von Seuchenausbrüchen teil und erstatten dann ihren jeweiligen einzelstaatlichen Einrichtungen getrennt Bericht. Könnten diese Experten als Teil eines EU-Teams im WHO-Team mitwirken, so könnten sie und damit alle einzelstaatlichen Einrichtungen ihre Ergebnisse gemeinsam auswerten.

Das Zentrum wird in der Lage sein, spezialisierte Schulungsprogramme und den Know-how-Transfer für Seuchenexperten aus ganz Europa zu fördern. Sachverständige aus den Einrichtungen der Mitgliedstaaten könnten im Rahmen ihrer beruflichen Laufbahn zum Zentrum abgeordnet werden.

Verwaltungsstrukturen wie bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit

Die Leitung des Zentrums wird sich an der ähnlicher unabhängiger europäischer Einrichtungen wie der der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit orientieren:

Die nächsten Schritte

Die Verordnung zur Errichtung des Zentrums muss vom Europäischen Parlament und dem Rat im Mitentscheidungsverfahren genehmigt werden. Erst nach ihrer endgültigen Annahme kann die Arbeit zur Bildung eines Verwaltungsrats, zur Ernennung eines Direktors und zur Personaleinstellung beginnen. Die Kommission strebt an, das Zentrum im Jahre 2005 seine Arbeit aufnehmen zu lassen.

Weitere Informationen

Weitere Informationen über den Vorschlag zur Schaffung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Bekämpfung von Seuchen sind von folgender Website abrufbar:

http://europa.eu.int/comm/health/ph_overview/strategy/ecdc/ecdc_en.htm

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