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"Salzburger Nachrichten" vom 03.10.2003

Seite: 2 - Ressort: ÖSTERREICH

Wo bleibt der Tierschutz?        

Ein Bundestierschutzgesetz versprach der Kanzler im Wahlkampf. Ein Jahr später ist nicht einmal ein Entwurf fertig. Die Opposition spricht von Frotzelei.

WIEN (SN-i. b.). Heute, Freitag, ist Tierschutztag. Von dem von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel vor einem Jahr im Wahlkampf überraschend in Aussicht gestellten Bundestierschutzgesetz ist aber noch nicht einmal ein Begutachtungsentwurf fertig. Aber bald, heißt es beim Kanzler und beim Vizekanzler, wo man ansonsten nichts zum Inhalt des Gesetzes sagen will. Was bitte dauert da so lange, fragt man sich bei der Opposition und spricht von Verzögerungstaktik.

Während SPÖ, FPÖ und Grüne seit langem bundesweit einheitliche Standards in der Tierhaltung fordern, hatte sich die ÖVP immer quer gelegt. Seit einem Jahr gibt es zwar das Kanzler-Bekenntnis zu einem Bundestierschutzgesetz, eilig hat es die ÖVP mit ihrer starken Bauernlobby bei der Umsetzung des Wahlkampf-Versprechens aber ganz offensichtlich nicht.

Möglicherweise bleibt den Tieren damit sogar einiges erspart, sagt die Grüne Madeleine Petrovic. Denn offenbar soll im Gesetz nur ein absolutes Mindestniveau festgeschrieben werden - und da einige Bundesländer dieses Mindestniveau längst überbieten, würde dies einen Rückschritt bedeuten. Als Beispiel nennt Petrovic die in einigen Bundesländern verbotene Batteriehaltung von Legehennen: sie müsste wieder erlaubt werden.

Was in dem Bundestierschutzgesetz überhaupt fehlen soll, ist die von Grünen und SPÖ geforderte unabhängige Tieranwaltschaft. Diese Anwaltschaft nach dem Muster der (sehr erfolgreich funktionierenden) Umweltanwaltschaft war schon eine der Hauptforderungen des Tierschutz-Volksbegehrens, das 1996 von 460.000 Österreichern unterschrieben wurde.

Der unterschwellige Vorwurf der ÖVP, die Opposition sei bauernfeindlich, wird von Grünen und SPÖ nicht nur zurückgewiesen, sondern zurückgereicht. Petrovic: "Die ÖVP macht doch in Wahrheit nur für Großagrarier und Tierhändler Politik - und nicht für die Bauern." Genau das müsse man aber tun: die vielen positiven Ansätze in der Nutztierhaltung müssten gefördert, den kleineren Bauern könnte so beim Umstieg auf eine tiergerechte Haltung geholfen werden. Speziell die Schweinehaltung sei ganz, ganz schlimm.

Im Kanzleramt heißt es, die Abstimmungen mit dem Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium und den neun Bundesländern seien "im Laufen". Mitte Oktober tage der parlamentarische Tierschutz-Unterausschuss, zwei Wochen später sollte der Begutachtungsentwurf fertig sein. Noch heuer sei der Ministerratsbeschluss geplant, in Kraft treten könnte das Gesetz dann Mitte 2004. Bei der FPÖ war niemand erreichbar.

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