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Meldung Nr. 40 APA CA vom 2003-11-13 06:45:41

Neue Studien über Hunde - wirkliche "Intelligenzbestien"

APA040 5 CA 0618 XA 13.Nov 03

Wissenschaft/Tiere/Ungarn/Feature

Neue Studien über Hunde - wirkliche "Intelligenzbestien" Utl.: Bei Tests besser abgeschnitten als Schimpansen oder Gorillas (Von Rudolf Grimm/dpa

Hamburg (dpa) - Der schwedische Arzt Axel Munthe hat in seinen berühmten Erinnerungen "Das Buch von San Michele" die Klugheit von Hunden kundig beschrieben: "Es gibt auch dumme Hunde, obwohl der Prozentsatz weit geringer ist als beim Menschen." Wie intelligent sie wirklich sind, haben erst neue wissenschaftliche Studien im Einzelnen aufgezeigt. "Der Hund schneidet in vielen Lerntests besser ab als Schimpansen oder Gorillas und entwickelt vor allem exzellente Kommunikationstalente", heißt es in einem Beitrag des Magazins "Gehirn & Geist" (Heidelberg, 5/2003) zu diesem Thema.

Die neuen Erkenntnisse kamen insbesondere dadurch zu Stande, dass im Unterschied zu den meisten früheren Forschungen die Versuchstiere systematisch in Verbindung mit ihren Bezugspersonen getestet wurden. "Das Potenzial der Hunde kann sich nur in ihrer sozialen Gruppe entfalten", sagt der Biologe Vilmos Csanyi von der Eötvös-Lorand- Universität in Budapest. Er leitet dort die weltweit größte Arbeitsgruppe zur Erforschung des Verhaltens dieser domestizierten Abkömmlinge des Wolfs.

Die lange gängige These, dass die Domestizierung der Tiere einen Rückschritt in ihrer Auffassungsgabe bewirkt habe, wackelt nunmehr gewaltig. Es häufen sich Indizien, die dem Hund eine besondere Art der Kognition im Tierreich bescheinigen.

So hat er ein grundsätzliches Verständnis von Objekten (in der Fachsprache: Objektpermanenz). Die Forscher verstauten vor den Augen ihrer Probanden ein Spielzeug in einem fahrbaren Container und verschwanden damit kurz hinter einem Sichtschirm. Danach öffneten sie ihn. War er leer, suchten die Tiere zielgerichtet hinter dem Sichtschirm.

Am deutlichsten wurden die Ergebnisse der Domestikation beim "Dialog" zwischen Mensch und Hund. Hierzu gehört ganz besonders der Blickkontakt. Hunde suchen diesen Kontakt. Ihre Fähigkeit, den Homo sapiens auf erstaunliche Weise zu verstehen, hat der Mensch den Hunden schon früh angezüchtet, glaubt der ungarische Biologe Adam Miklosi. Sie sei also in ihren Genen verankert. Beobachtungen von Wissenschaftlern der Harvard-Universität (USA) und des Max-Planck- Instituts (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig bestätigen das. Von Menschen großgezogene Wölfe versagten in entsprechenden Test, weil fast keiner den Pflegeeltern in die Augen blickte. Sie ignorierten ihre Anwesenheit, obwohl sie gleich nach der Geburt an Menschen gewöhnt waren.

Auch Schimpansen und Gorillas, die nächsten stammesgeschichtlichen Verwandten des Menschen, bestehen von Hunden gemeisterte Prüfungen mit Interpretationen menschlicher Augensignale, komplizierter Gesten oder Hinweisen mit dem Fuß nicht.

Nach neuen Erkenntnissen zähmten vor etwa 15.000 Jahren Menschen in Ostasien erstmals Wölfe. Peter Savolainen vom Königlichen Institut für Technologie in Stockholm und seine Mitarbeiter haben hierüber geforscht. Nach ihren Erbgut-Untersuchungen stammt die Population aller Hunde von mindestens fünf weiblichen Wölfen ab, wobei drei Linien den Ursprung von 95 Prozent aller Hunde bilden. Alle Linien seien in China entstanden, glaubt das Team.

MPI-Direktor Michael Tomasello hat ein dreistufiges Szenario der Entwicklung der Beziehung Mensch/Hund entworfen. Die ersten Hunde waren Spielgefährten der Kinder, aber auch nächtliche Wächter. Auf der nächsten Stufe registrierte der Mensch, dass sie zum Schafehüten und als Jagdgehilfen taugten. In den vergangenen 500 Jahren züchtete er dann aus dem Allrounder 400 Spezialisten - zu seinem Nutzen oder seinem Vergnügen.

In einer früheren Ausgabe der Zeitschrift "Archäologie in Deutschland" (Stuttgart) hat sich Norbert Benecke vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin der Geschichte des Hundes anhand von Funden gewidmet. Dass Menschen schon sehr früh ein emotionales Verhältnis zu ihm hatten, zeigen Gräber, in denen Hunde, offenbar Gefährten des Verstorbenen, mitbestattet wurden. In einem Doppelgrab bei Bonn-Oberkassel wurden Skelettreste gefunden, die nach Radiokarbon-Messungen etwa 14.000 Jahre alt sind.

Benecke vermutet, dass Steinzeitmenschen junge Wölfe aufzogen, die ihnen auf Jagdzügen in die Hände gefallen waren. Für deren Einordnung in Menschengruppen wirkte sich günstig aus, dass das Rudeltier Wolf Eigenschaften hat, die mit menschlichem Verhalten übereinstimmen, wie etwa Rangordnung, Aufgabenteilung und Fürsorge. Die mit dieser sozialen Ader ausgestatteten Tiere wurden dann wie kein zweites der domestizierten Art - Pferd, Schaf, Ziege, Katze, Kuh - bei der Züchtung immer "menschlicher". (Schluss) af

APA040 2003-11-13/06:48

130648 Nov 03

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