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IP/03/1426

Brüssel, den 21. Oktober 2003

Vogelschutzrichtlinie und Habitat-Richtlinie: Rechtliche Maßnahmen der Kommission gegen Österreich und Portugal

Die Europäische Kommission hat ein letztes schriftliches Mahnschreiben an Österreich und Portugal gerichtet, da diese Mitgliedstaaten es versäumt haben, die Umsetzung von EU-Naturschutzbestimmungen zu verbessern. In Österreich wurden bestimmte Anforderungen nicht ordnungsgemäß in die regionalen Rechtsvorschriften umgesetzt. Portugal dagegen hat es unterlassen, Campo Maior, ein besonderes Schutzgebiet (BSG) für wild lebende Vögel, vor den schädlichen Auswirkungen eines Bewässerungsprojekts im Zusammenhang mit dem Abrilongo-Staudamm zu schützen. Die Einleitung der Vertragsverletzungsverfahren soll verdeutlichen, dass Ziele des Naturschutzes durch angemessene nationale Rechtsvorschriften, durch die Ausweisung von Gebieten und durch eine gute Praxis untermauert werden müssen. Nur dank solcher Maßnahmen kann die Zukunft des natürlichen Erbes Europas wirklich gesichert werden.

Die Umweltkommissarin Margot Wallström nahm hierzu wie folgt Stellung: „Die Mitgliedstaaten haben sich dazu verpflichtet, dem Verlust an biologischer Vielfalt in der EU bis 2010 Einhalt zu gebieten(1). Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen Österreich und Portugal ihre Bemühungen verstärken“.

Österreich

In Österreich liegt die Verantwortung für die Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie und der Habitat-Richtlinie bei den neun österreichischen Ländern. Die Kommission hat die regionalen Naturschutzgesetze im Hinblick auf deren Übereinstimmung mit den Anforderungen der Richtlinien geprüft. Dabei zeigten sich viele Schwachpunkte, so dass die Kommission diesbezüglich Kontakt mit den österreichischen Behörden aufnahm. Daraufhin wurden einige Änderungen an den Gesetzen vorgenommen. Allerdings bestehen weiterhin erhebliche Mängel, die Anlass zu zwei schriftlichen Mahnungen der Kommission waren. Betroffen sind die Vogelschutzrichtlinie und die Habitat-Richtlinie. Im Fall der Vogelschutzrichtlinie richtet sich die Kritik hauptsächlich an Bestimmungen zum Verbot bestimmter Tätigkeiten mit nachteiligen Auswirkungen und zur Regelung der Jagd. Bei der Habitat-Richtlinie waren sowohl Bestimmungen zum Schutz von Standorten als auch Artenschutzbestimmung zu kritisieren.

Portugal

Die schriftliche Mahnung an Portugal betrifft Bewässerungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Abrilongo-Staudamm. Diese stellen eine Bedrohung für das besondere Schutzgebiet (BSG) Campo Maior dar, das im Rahmen der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen wurde und wo wild lebende Vogelarten wie der Kranich in Gefahr gebracht werden. Das Gebiet ist für diese Arten sowie für Steppenarten wie die Groß- und Zwergtrappe eines der beiden wichtigsten Überwinterungsgebiete in Portugal. Die portugiesischen Behörden haben nach Ansicht der Kommission keine angemessenen Schritte zum Schutz dieses Standorts vor einer Verschlechterung unternommen.

Hintergrund

    Die Vogelschutzrichtlinie

Die Vogelschutzrichtlinie(2) ist die älteste Naturschutzvorschrift der Gemeinschaft. Mit ihr wurde ein umfassendes System zum Schutz der wild lebenden Vogelarten in der Gemeinschaft geschaffen. Dieses System umfasst verschiedene, miteinander zusammenhängende Komponenten wie etwa die Erhaltung von Lebensräumen und die Ausweisung von besonderen Schutzgebieten (BSG) für wandernde und andere empfindliche wild lebende Vogelarten. Für diese Gebiete sind besondere Schutzvorkehrungen zu treffen. Zudem hat der Gerichtshof in einem Urteil beschieden, dass andere wichtige Vogelstandorte, die den Status eines BSG verdienen, ebenfalls geschützt werden sollten. Eine zweiter Aspekt des in der Richtlinie vorgesehenen Schutzsystems betrifft das Verbot bestimmter Tätigkeiten, die Vögel direkt bedrohen (wie die absichtliche Zerstörung von Nestern und die Entnahme von Eiern) sowie damit in Verbindung stehender Tätigkeiten wie den Handel mit lebenden oder toten Vögeln. Ein drittes Element sind Regeln zur Begrenzung der Anzahl bejagbarer Arten und der Jagdsaison (Phasen erhöhter Empfindlichkeit wie die Rückkehr von der Wanderung, die Fortpflanzung und die Aufzucht der Küken sind auszunehmen). Des Weiteren ist festgelegt, welche Jagdmethoden erlaubt sind (z.B. Verbot nicht selektiver Jagdmethoden). Für die zweite und dritte Komponente können Ausnahmeregelungen genehmigt werden, sofern strenge Anforderungen erfüllt werden und keine andere zufrieden stellende Lösung möglich ist.

    Die Habitat-Richtlinie

Die Habitat-Richtlinie(3) ist das Flaggschiff der EU für den Schutz der biologischen Vielfalt. Sie bietet einen umfassenden Schutz für bestimmte Tiere und Pflanzen sowie ausgewählte Lebensräume. Bis Juni 1998 war die Schaffung eines Netzes geschützter Standorte („Natura 2000“) vorgesehen, das im Rahmen der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesene BSG sowie von den Mitgliedstaaten gemäß der Habitat-Richtlinie vorgeschlagene Standorte umfassen soll. Die Mitgliedstaaten sind gehalten, bei ihren Vorschlägen für die Ausweisung von Gebieten streng nach wissenschaftlichen Kriterien und Informationen vorzugehen. Bei Standorten, die in das Netz aufgenommen werden, sind grundsätzlich die vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen zu respektieren.

Dies gilt beispielsweise für die vorherige Bewertung von Plänen und Projekten, die nachteilige Auswirkungen haben können und nur dann genehmigt werden dürfen, wenn sie ein vorrangiges Interesse darstellen und keine alternative Lösung vorhanden ist. Im Falle von Schäden sind andere Lebensräume als Ersatz zur Verfügung zu stellen. Wenn dieses Netz erst einmal vollständig eingerichtet ist, sollte gewährleistet sein, dass die besten Beispiele natürlicher Lebensräume in der EU und Gebiete, die seltene und gefährdete Pflanzen und Tieren beherbergen, ordnungsgemäß erhalten und geschützt werden. Verzögerungen bei der Einreichung der (eigentlich bis Juni 1995 fälligen) Vorschläge der Mitgliedstaaten haben dazu geführt, dass die Schaffung des Netzes Natura 2000 im Zeitplan deutlich in Verzug geraten ist. Neben der Schaffung von Natura 2000 ist in der Habitat-Richtlinie ein Verbot der Schädigung von Brut- und Ruhestätten bestimmter Tierarten vorgesehen. Ausnahmeregelungen sind möglich, aber nur unter strengen Bedingungen.

    Rechtliches Verfahren

Artikel 226 EG-Vertrag befugt die Kommission zu rechtlichen Maßnahmen gegen Mitgliedstaaten, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Ist die Kommission der Ansicht, dass ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegen könnte, der ein Vertragsverletzungsverfahren rechtfertigt, richtet sie an den betreffenden Mitgliedstaaten ein „Aufforderungsschreiben“ (erstes Mahnschreiben“) und fordert diesen darin auf, innerhalb eines bestimmten Zeitraums - in der Regel zwei Monaten - seine Bemerkungen vorzubringen.

Nach Eingehen oder Ausbleiben einer Antwort kann die Kommission beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaaten eine „mit Gründen versehene Stellungnahme“ (zweites Mahnschreiben) zu übermitteln, in der sie klar und eindeutig darlegt, weshalb ihrer Ansicht nach ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt, und den Mitgliedstaat auffordert, innerhalb eines bestimmten Zeitraums - in der Regel zwei Monaten - dieser Situation abzuhelfen.

Kommt der Mitgliedstaat dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht nach, kann die Kommission beschließen, den Europäischen Gerichtshof mit dem Fall zu befassen.

Artikel 228 EG-Vertrag befugt die Kommission zu Maßnahmen gegen Mitgliedstaaten, die einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht nachkommen. Gemäß Artikel 228 kann die Kommission ferner den Gerichtshof ersuchen, gegen den betreffenden Mitgliedstaaten ein Zwangsgeld zu verhängen.

Aktuelle Statistiken zu Vertragsverletzungsverfahren können unter folgender Internetadresse eingesehen werden:

http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/droit_com/index_en.htm#infractions

(1)Die Kommissarin bezieht sich hier auf die Entscheidung des Europäischen Rates von Göteborg im Juni 2001, den Rückgang der biologischen Vielfalt in der EU bis zum Jahr 2010 aufzuhalten.

(2)Richtlinie 79/409/EWG des Rates über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten.

(3)Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen.

 

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